Geburt und Diagnose

Unser Sohn Valentin wurde im Februar 2009 nach einer (fast) völlig problemlosen Schwangerschaft per Kaiserschnitt in Esslingen geboren.

Und schon kurz nach der Geburt zeigt sich, dass wir trotz allem Unglück doch immer viel Glück haben. Die beim Kaiserschnitt anwesende Kinderärztin, Frau Dr. Rau hat einen kardiologischen Hintergrund und sie hatte an diesem Vormittag auch die Zeit, Valentin, nachdem sie ein Herzgeräusch bemerkt hat, noch mal ganz sorgfältig abzuhören.

Nachdem sich ein Problem mit dem Herzen bestätigt hat, wurde Valentin gleich auf die Kinderintensivstation in Esslingen verlegt, wo weitere Untersuchungen stattgefunden haben, solange ich noch im Aufwachraum war. Irgendwann wurde uns dann aber mitgeteilt, dass Valentins Herzfehler doch schlimmer als zunächst vermutet ist und er sofort in die Uniklinik Tübingen verlegt werden muss. So lag ich also in meinem Zimmer im Esslinger Krankenhaus, während mein Mann zu Valentin nach Tübingen gefahren ist.

Nach drei Tagen Albtraum (ich auf der Entbindungsstation in Esslingen, unser Kind auf der Intensivstation in Tübingen – und wir vom Thema “Herzfehler” null Ahnung durfte ich auf eigene Verantwortung dann endlich auch nach Tübingen und unseren Kleinen endlich ausgiebig anschauen, auf den Arm nehmen, stillen. In Tübingen wurde uns dann auch die Diagnose Hypoplastisches Linksherz genannt und dass Valentin bald operiert werden muss.

Die Operationen

An seinem achten Lebenstag fand dann die sog. Norwood-OP statt. Die Zeiten während und nach dieser OP würden einen eigenen Bericht füllen, jeder der das schon mal durchgemacht hat, weiß was das bedeutet.

Nach acht Wochen und einem Tag durften wir dann endlich das erste Mal mit unserem Kleinen nach Hause! Daheim musste aber auch erst mal Einiges organisiert werden (ambulante Kinderkrankenpflege, Versorgung mit Sauerstoff, regelmässige Besuche von unserer Kinderärztin, zuverlässige Versorgung mit Medis…), so dass wir eigentlich rund um die Uhr eingespannt waren. Zudem hat Valentin immer sehr unruhig geschlafen, z.T. musste ich ihn alle eineinhalb Stunden stillen (weil er sich sonst so ins Schreien reingesteigert hätte und dabei blitzeblau wurde).

Und wenn Valentin ausnahmsweise mal länger geschlafen hat, dann hat sein Überwachungsmonitor Alarm gegeben. So waren die Nächte kurz und die Tage anstrengend – von einfach mal “Familie-Sein” keine Spur.

Mein Mann musste bald wieder arbeiten, während der Zeit in der Klinik ist er immer gependelt, hat daheim den Haushalt am Laufen gehalten und ist nach der Arbeit noch eine Stunde nach Tübingen gefahren und irgendwann am späten Abend wieder eine Stunde heim.

Auf den ersten Krankenhausaufenthalt folgten noch mehrere Kürzere bis zur zweiten, notfallmässigen Operation im Sommer 2009. Die hat Valentin ganz gut gepackt, so dass wir nach “nur” drei Wochen schon wieder zu Hause waren – nur um nach ein paar Tagen wegen heftiger Rhythmusprobleme wieder nach Tübingen einzurücken.

Nach der zweiten OP war Valentin relativ lange recht stabil, erst am Jahresende hat sich sein Zustand langsam verschlechtert. Anfang 2010 war dann ein Herzkatheter vorgesehen und nach diesem war klar, dass Valentin recht zügig, nämlich eine knappe Woche nach Katheter, die nächste OP bekommen soll.

Bei dieser OP hat Valentin sämtliche möglichen und unmöglichen Komplikationen mitgenommen, so dass wir über seinen ersten Geburtstag (als “Geschenk” gab es die Punktion eines großen Ergusses) und insgesamt wieder vier Wochen in der Klinik waren. Wie wenn wir die OP Termine geahnt hätten, hat mein Mann seine zwei Partnermonate Elternzeit auf den August und den Februar gelegt, so dass er während der zweiten und dritten OP bei Valentin und mir in Tübingen bleiben konnte. Mit Urlaub alleine wäre dies nie zu bewältigen gewesen.

Während unseres Aufenthaltes im Februar 2010 hat Frau Bintz vom Psychosozialen Dienst der Uniklinik Tübingen uns noch mal auf die Möglichkeit einer FOR hingewiesen – und sie auch gleich für uns für das Frühjahr beantragt. Leider hat sich die private Krankenkasse von Valentin und mir zunächst geweigert, die Kosten für die Reha zu übernehmen, so dass ich etliche böse Briefe schreiben und Telefonate führen musste, immer mit tatkräftiger Unterstützung von Frau Bintz (die “einfach nicht locker lassen kann” und der sich (fast) jede Krankenkasse beugt…). Und das hat sich in der Nachschau betrachtet absolut gelohnt.

Ankunft in Tannheim

Und das hat sich in der Nachschau betrachtet absolut gelohnt. Und so sind wir, reichlich entnervt, gestresst und einfach erledigt, Ende Mai zu unserer Reha nach VS-Tannheim gefahren.Schon bei der Ankunft war uns klar, dass wir hier endlich mal ein wenig zur Ruhe kommen können. Die Klinik liegt außerhalb des kleinen Ortes Tannheim, direkt am Waldrand, ringsum nur Grün, eine tolle Außenanlage mit schönen Spielplätzen und kein Autoverkehr außer der Zufahrtsstraße.

Bei der Begrüßung wurde schon deutlich, dass alle Mitarbeiter hinter der Idee FOR stehen und mit ganzem Herzen bei ihrer Aufgabe sind, alle sehr freundlich und um die Gäste bemüht. Und dieses Gefühl des Willkommen-Seins hat die ganzen vier Wochen angehalten.

Das Schönste an der FOR war für uns, dass wir endlich einmal Zeit für uns hatten, Familie sein konnten, einfach mal mit Valentin im Kinderwagen stundenlang durch den Wald laufen oder einen Nachmittag aneinandergekuschelt zu verschlafen.

Wir wurden komplett versorgt, mussten uns um (fast) nichts kümmern. Konnten einfach an den gedeckten Tisch sitzen und zusammen essen und die gemeinsame Zeit geniessen.

Valentin hat während der Reha jeden Tag Physiotherapie bekommen – und die positiven Auswirkungen davon merken wir noch jetzt:

Bei der dritten OP wurde Valentins linkes Zwechfell in Mitleidenschaft gezogen und war danach gelähmt. Ausserdem hatte Valentin vor der Reha eine heftige Bronchitis, so dass er eine so schlechte Sättigung hatte, dass er permanent Sauerstoff per Nasenbrille gebraucht hat.

Die Physio hat es in den vier Wochen nicht nur geschafft, dass Valentin beweglicher wurde und er seine ersten Schritte gemacht hat, sondern auch dass das Zwerchfell wieder problemlos arbeitet.

Valentins Sättigung hat sich so stabilisiert hat, dass wir seither noch keinen Sauerstoff brauchten!

Wenn Valentin auch nicht immer Spaß an der Therapie hatte, so hat er doch immer gut mitgemacht.

Die Physiotherapie war teilweise für Valentin ganz schön anstrengend, das hatte aber den positiven Nebeneffekt, dass Valentin in Tannheim so viel und so gut wie noch nie vorher geschlafen hat und er sogar manche Nacht durchgeschlafen hat (ein echter Luxus für uns!).

Schön war auch, dass es eine betreute Krabbelgruppe für die ganz Kleinen zwischen 0 und 2,5 Jahren gab.

So konnte Valentin auch mal in den Kindi-Alltag schnuppern, hatte Kontakt zu anderen Kindern ohne dass seine motorischen Entwicklungsverzögerung für irgendjemanden ein Problem gewesen wären.

Wir wussten Valentin im Schtorchennest gut aufgehoben, wenn wir unsere Anwendungen und Therapien hatten.

Angebote für die ganze Familie

Es wurde nicht nur dafür gesorgt, dass der eigentliche Patient Valentin in den Genuß von umfangreicher Behandlungen gekommen ist, sondern auch dass wir Eltern mit verschiedenen Entspannungstechniken (progressive Muskelrelaxation oder Phantasiereisen) unser psychisches Gleichgewicht wiederfinden konnten.

Daneben gab es noch ein umfangreiches Sportangebot für jeden Geschmack – weil für den sportlichen Ausgleich in den vergangenen Monaten nicht nur bei uns ziemlich wenig Zeit geblieben ist.

So gibt es in Tannheim ein tolles, großes Hallenbad, wo man auch abends um 22 Uhr noch schwimmen kann – das war für mich ganz toll, in Ruhe meine Bahnen zu ziehen, während Valentin schon selig geschlafen hat und mein Mann den Stapel der ungelesenen Bücher abarbeitete.

Daneben gibt es eine große Sporthalle, wo nicht nur das organisierte Sportangebot (Wirbelsäulengymnastik, Zirkeltrainig), sondern auch Sport in Eigeninitative gemacht werden konnte (Badminton, Volleyball etc.).

Ganz toll waren auch die verschiedenen Sport-Schnupperstunden von eher nicht alltäglichen Sportarten, die man daheim nicht einfach mal so ausprobieren kann. So waren wir z.B. beim Klettern in der Sporthalle, beim Bogenschießen und beim Reiten.

Auf dem Gelände der Klinik gibt es einen Therapiestall mit Pferden, Ponies, Ziegen, einem Esel, Hasen und Hühnern. Für die größeren Kinder gab es z.T. Reittherapie und am Wochenende Ponyreiten für alle, selbst die Kleinen aus dem Schtorchennest sind einmal pro Woche in den Stall gegangen.

Und da durften auch so Kleine wie unser Valentin, der ja gerade mal gute 15 Monate alt war, zusammen mit Mama oder Papa aufs Pferd.

Valentin war restlos davon begeistert: So stabil und aufrecht wie auf seinem Freund Vito ist Valentin vorher noch nie gesessen, den Überblick, den er von dort oben hatte, hat er total genossen und Angst vor dem doch recht großen Tier war ihm völlig fremd.

Austausch mit anderen Eltern

Was uns im Umgang mit Valentins Erkrankung auch sehr geholfen hat, waren die Gespräche mit anderen betroffenen Eltern; zum einen im organisierten Gesprächskreis für Eltern von Kindern mit ähnlichen Herzfehlern und zum anderen die sich daraus ergebenden vielen guten Gespräche im Reha-Alltag.

Das Schöne in der Reha ist ja, dass man nichts erklären muss, weil alle Eltern in der mehr oder weniger gleichen Situation sind und verstehen, was es bedeutet, sein Kind an der OP-Schleuse abgeben zu müssen, das Warten, Bangen und Hoffen kennen und die Bedeutung und Konsequenzen aus der Erkrankung richtig einschätzen können – im Gegensatz zu vielen Eltern von gesunden Kindern, von Freunden und z.T. sogar von der eigenen Familie.

Und wenn man dann während der Reha Familien kennenlernt, deren Kinder den gleichen oder ähnlichen Herzfehler haben und denen es nach der letzten notwendigen OP (Fontan-OP) gut geht, dann macht das unendlich viel Mut und gibt einem Hoffnung und Kraft für die Zeiten, in denen es mal wieder nicht so rund läuft.

Medizinische Vorträge

Was uns dabei auch viel gebracht hat waren die kardiologischen Vorträge von Dr. Borth-Bruns zu allgemeinen Themen (Leben mit herzkrankem Kind: Reisen, Sport, Endokarditisprophylaxe) und speziell zur Fontan OP (während unserer Reha waren 7 oder 8 Fontan-Kinder da). Viele Aspekte, die im stressigen Klinikalltag nur am Rande erwähnt und oft nicht erklärt wurden, wurden hier ausführlich erläutert.

Es hat sich gelohnt

Zum Abschluss bleibt nur zu sagen, dass wir alle Drei von dieser Reha profitiert haben. Wir konnten Kraft sammeln, haben auch die manchmal nötige Distanz zur Erkrankung gefunden und können jetzt gestärkt den Alltag meistern.

Vorallem an Valentin merken wir die positiven Aspekte der Reha. Seit wir wieder zu Hause sind, macht er riesige Fortschritte, wir haben das Gefühl, dass er jetzt all das nachholen will, was er während der langen Krankenhauszeit versäumt hat.

Valentin ist ein ausgesprochen fröhliches und aufgewecktes Kerlchen, er ist (abgesehen von seiner Erkrankung) völlig pflegeleicht und von seinem Herzfehler völlig unbeeindruckt.

Natürlich hat er auch mal seinen Dickkopf, und den auch sehr ausgeprägt und gepaart mit eisernem Willen, aber den darf er auch haben, denn ohne hätte er die Strapazen der schweren OPs sicher nicht gepackt.

Valentin macht jetzt, mit 19 Monaten, seine ersten ganz freien Schritte, will immer nur laufen, laufen, laufen und ist immer in Bewegung und an allem interessiert. Er will immer was erleben, gönnt sich kaum mal eine Pause und lernt jeden Tag etwas Neues dazu.

Von kardiologischer Seite ist er immer noch sehr stabil, so dass uns bis zur nächsten OP wohl noch etwas Zeit bleibt. Eines ist aber sicher: nach der nächsten OP würden wir wieder sehr gerne zur familienorientierten Reha nach Tannheim fahren!!!