Geschichte

Aus der Not geboren – Die Geschichte von ELHKE e.V.

Aus dem Bedürfnis heraus, das eigene Schicksal gemeinsam mit anderen Betroffenen besser zu bewältigen und auch um Defizite und Mängel im sozialen Umfeld anzugehen, sind in den 80er und 90er Jahren in ganz Deutschland Selbsthilfegruppen von Eltern herzkranker Kinder entstanden.

In Tübingen trafen sich Mitte der 80er Jahre etwa 20 Familien, die in der näheren und weiteren Umgebung wohnten, um sich miteinander über die Herzkrankheit ihrer Kinder auszutauschen. Bei jedem Treffen kamen neue Eltern dazu und schon bald stand auch in Tübingen der Gedanke nach Gründung eines Vereins im Raum. Ziel war zum einen der gegenseitige Erfahrungsaustausch und zum anderen, die Situation für herzkranke Kinder und deren Familien vor Ort zu verbessern.

1986 – Ärztliche und menschliche Unterstützung – die Gründung des Vereins ist in Sicht

Prof. Dr. Jürgen Apitz, der damalige Leiter der Kinderkardiologie in Tübingen, unterstützte diese Bestrebungen der Eltern.

So kam es im Dezember 1986 zur Gründung der Elterninitiative Herzkranker Kinder, Tübingen. Zehn Personen – davon 1 betroffener Vater und 7 Mütter, eine Kinderkrankenschwester und Prof. Dr. Apitz – waren die Gründungsmitglieder. Im Februar 1987 waren dann auch die Formalitäten abgeschlossen und ELHKE e.V. im Vereinsregister eingetragen.

Die ersten Eltern-Kind-Nachmittage fanden statt

Verschiedene Zeitungen und Zeitschriften wurden informiert, um ELHKE bekannt zu machen. Ein Raum musste gefunden werden, an dem sich die Familien in regelmäßigen Abständen zu den sog. „Eltern-Kind-Nachmittagen“ treffen konnten. Diese Nachmittage für die ganze Familie wurden von Mal zu Mal größer und bestätigten das enorme Bedürfnis nach Austausch und Kommunikation untereinander.

Teilweise wurden zu diesen Treffen auch Referenten eingeladen, die über verschiedene Themen sozialrechtlicher, psychologischer oder medizinischer Art referierten. Der neugegründete Verein wuchs sofort und Ende 1990 gehörten ihm bereits 120 Familien an.

Mitaufnahme mindestens 1 Elternteils
und Unterkunft in Kliniknähe

Neben dem Schwerpunkt des zwischenmensch- lichen Kontaktes untereinander hatte der Verein von Anfang an zwei weitere Hauptanliegen: Zum einen war dies die Mitaufnahme eines Elternteils bzw. das Angebot von Übernachtungsmöglichkeiten für Eltern in Kliniknähe. In der Klinik gab es zu dieser Zeit praktisch keine Möglichkeit der Mitaufnahme eines Elternteils. Der Wunsch der Eltern, möglichst viel in der Nähe ihres schwer kranken Kindes zu sein, war uns allen aber allzu vertraut. Zudem wurden in der Universitätsklinik Tübingen bereits in den 80er Jahren neben Erwachsenen auch Kinder operiert und die Familien kamen aus ganz Baden-Württemberg in das Zentrum.

Nicht zuletzt durch die Unterstützung der Ärzte aus der Abteilung waren die Verhandlungen mit dem Liegenschaftsamt der Uni-Klinik auch bald erfolgreich. Bereits ab Dezember 1987 konnte ELHKE e. V. zwei Zimmer in einem Schwestern- wohnheim in unmittelbarer Kliniknähe anmieten, die dann Eltern als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung standen.

Bis diese Zimmer auch einen Telefonanschluß an das Ringtelefonnetz der Klinik erhielten, sollten allerdings weitere 8 Jahre verstreichen.

1988 – Psychosozialer Dienst für betroffene Eltern/Familien in der Klinik

Zum Anderen hatten wir den Eindruck, dass den Eltern während des stationären Aufenthaltes ihrer Kinder mehr Hilfestellung gegeben werden sollte. Es schien uns erforderlich zu sein, dass regelmäßig in der Klinik ein Ansprechpartner zur Verfügung stehen bzw. auf Eltern zugehen sollte. Dies bedeutete, dass eine Fachkraft eingestellt werden müsste; denn es war uns klar, dass wir dies auf ehrenamtlicher Basis nicht leisten konnten.

Die Notwendigkeit eines psychosozialen Mit- arbeiters war für die Klinikverwaltung nicht unbedingt einsichtig und für einen derartigen Luxus war schon damals kein Geld vorhanden. Von ELHKE wurden daher bereits im ersten Jahr nach Vereinsgründung mehrere Stiftungen ange- schrieben.

Mit Erfolg! Ein Jahr später – im März 1988 – konnte über eine ABM-Maßnahme die erste Sozial- pädagogin ihre Tätigkeit in der Kinderkardiologie aufnehmen.

Eine Stelle hatten wir und auch eine Mitarbeiterin war eingestellt worden – sie hatte aber kein Dienstzimmer, nicht einmal einen Schreibtisch. Es waren wiederum viele zeitraubende Diskussionen und ein langer Atem nötig, bis die Sozialpädagogin auch einen Schreibtisch erhielt.

Die neue Fachkraft auf der Station überzeugte aber schon sehr bald die Skeptiker und nach weiteren 2 Jahren wurde die von ELHKE geschaffene Stelle in die Regelversorgung der Klinik übernommen. Und so konnte sich der Verein stärker anderen Aufgaben zuwenden.

1990 – Familienorientierte Rehabilitation

Bei allen Bemühungen um das herzkranke Kind und die Verbesserung seiner Situation und Lebenserwartung, sind die Probleme, die die Eltern, die Geschwister und damit die ganze Familie betreffen, weitgehend unberücksichtigt geblieben. Die Tatsache, ein herzkrankes Kind zu haben, wirft für viele Eltern große Probleme auf, im Fall einesschwer chronisch herzkranken Kindes nicht selten kaum zu bewältigende Belastungen.

Aufwändige Diagnostik und Therapie, langdauernde stationäre Aufenthalte, evtl. mehrfache Herzope- rationen, sowie besondere Pflege und Zuwendung verursachen weitreichende und z. T. schwer- wiegende Störungen eines sonst normalen Familiengefüges. Die Familien sind dabei allein auf sich gestellt und müssen selbst irgendwie klarkommen.

1990 lud die Rehaklinik Katharinenhöhe, deren Schwerpunkt damals noch ausschließlich die Betreuung von Familien mit onkologisch erkrankten Kindern war, erstmals eine Familie mit einem chronisch herzkranken Kind zu einer 4-wöchigen Rehamaßnahme ein.

Die einzelnen Familienmitglieder kamen enorm gestärkt und neu motiviert wieder in ihren Alltag zurück. Damit geriet das Konzept der Familienorientierten Rehabilitation für Familien mit schwer kranken und chronisch kranken Kindern stärker in unser Blickfeld.

1993 – Der Vorläufer des Bundesverbandes Herzkranke Kinder e.V. Aachen gründet sich

In den achtziger Jahren entstanden gleichzeitig an verschiedenen regionalen Herzzentren ähnliche Selbsthilfegruppen. Diese fingen schon bald an, Kontakt untereinander aufzubauen und zu pflegen. Es entstand zunächst ein etwas unverbindlicher „Bundesarbeitskreis der Interessenverbände herzkranker Kinder“, der Vorläufer des 1993 gegründeten Bundesverbandes Herzkranke Kinder e. V. mit seinem Sitz in Aachen.

ELHKE unterstützte sehr die Gründung dieses gemeinsamen Dachverbandes mit dem Ziel, ein bundesweit einheitliches Sprachrohr und eine starke Lobby für die Belange herzkranker Kinder und Jugendlicher, sowie deren Familien zu schaffen. Der Bundesverband arbeitet heute in mehreren Fachgesellschaften mit, übernimmt vereins- übergreifende Arbeiten und betreibt eine sehr starke Öffentlichkeitsarbeit. Er verfasst zahlreiche Informationsbroschüren, die den Familien der einzelnen Mitgliedsvereine kostenlos zur Verfügung stehen.

1995 – ELHKE wird Mitgesellschafter
an der neu gegründeten Rehaklinik Tannheim

In Villingen-Schwenningen, Ortsteil Tannheim sollte eine weitere Rehabilitationsklinik für krebs-, herz- und mukoviscidosekranke Kinder gebaut werden, um dem wachsenden Bedarf nach Familien- orientierter Rehabilitation gerecht zu werden.

Ziel der Planungen war es damals, Vertreter aller drei Krankheitsbilder als Gesellschafter zu gewinnen. Gewünscht war, daß auch der junge Bundesverband Herzkranke Kinder e.V., Aachen als Gesellschafter mit ins Boot kommt. Dies war damals für den jungen Verein finanziell noch nicht möglich. Da die Notwendigkeit einer weiteren Reha-Einrichtung für uns aber auf der Hand lag, entschloss ELHKE sich 1995, der bereits bestehenden Institution „Nachsorgeklinik Tannheim gGmbH“ als weiterer Gesellschafter beizutreten. Das nötige Einlagekapital konnte in mehreren Jahresraten einbezahlt werden. Eine betroffene Mutter aus dem Raum Pforzheim unterstützte ELHKE hierbei tatkräftig über mehrere Jahre durch die Organisation von Benefizkonzerten.

1997 ging die Rehaklinik in Tannheim Betrieb und ist seither eine weitere sehr wichtige Tankstelle für Familien herzkranker Kinder und auch Jugendlicher. Für die herzkranken Kinder dient die Reha der Verbesserung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit.

Die Familien können wieder zueinander finden und sich von Zeiten der Überbelastung und des Dauerstresses erholen.

2005 übernahm dann der Bundesverband Herzkranke Kinder e. V. den Gesellschafteranteil von ELHKE und eine große Verantwortung wurde uns von den Schultern genommen.

1999 – ELHKE finanziert Ausbildung
mehrerer Clowns

Herzkranke Kinder müssen häufig lange und wiederholte Klinikaufenthalte hinnehmen. Etwas Farbe in den grauen Klinikalltag bringen seit einigen Jahren die Klinik-Clowns. Die Arbeit der Clowns in der Tübinger Klinik geht auf die Initiative einer Mutter einer herzkranken Tochter zurück. ELHKE unterstützte diese Idee und finanzierte die pädagogische, schauspielerische und sprachliche Ausbildung mehrerer Clowns.

Seit 1999 spielen wöchentlich die beiden Clowns Hupe und Rosina auf der kinderkardiologischen Station zur Freude der Kinder. Mitunter können die Clowns helfen Ängste abzubauen oder das Lachen wieder neu zu entdecken. Eine aus unserer Sicht sehr wichtige Arbeit, die hier professionell getan wird.

2002 – Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen erschweren die Aufrechterhaltung
des Psychosozialen Dienstes erheblich.

Gravierende Sparmaßnahmen im Gesundheits- wesen und ein nach Meinung vieler Eltern, unverantwortlicher Stellenabbau bei Ärzten und Pflegepersonal führten allerdings dazu, dass ELHKE sich seit 2002 wieder mit 30 % an den Personal- kosten der Sozialdienststelle beteiligt.
Ansonsten wäre die 100 % Stelle auf eine Teilzeit-Stelle gekürzt worden, und das wollten und konnten wir nicht hinnehmen! Die Sozialpädagogin auf der Station war schließlich zu einem unverzichtbaren Bindeglied zwischen Eltern, Ärzten und Pflege- personal geworden und leistete unverzichtbare Hilfestellung für die betroffenen Familien. Unsere derzeitige Fachkraft – Frau Bintz – legt neben der Reha-Beratung einen weiteren Schwerpunkt auch auf die Beratung und Begleitung Jugendlicher. Diese Patientengruppe erfährt bisher nur unzureichende Hilfestellung von behördlicher Seite aus.

2009 – Heute – und in die Zukunft geblickt

All die Jahre war und ist es ELHKE wichtig, Anlaufstelle für Betroffene zu sein und gemeinsam mit den Ärzten und dem Pflegepersonal an der Verbesserung des klinischen und psychosozialen Umfeldes herzkranker Familien zu arbeiten. In Zeiten knapper werdender finanzieller Mittel ist diese Zusammenarbeit mehr denn je gefragt. Manche Ziele lassen sich nur durch gebündelte Energie erreichen.

Wir blicken dankbar auf die Dinge, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert und verbessert haben. Darüber z.B., dass Eltern ihre kranken Kinder nicht mehr nur durch eine Glasscheibe hindurch ansehen dürfen, oder als Besucher eben nur am Bett ihres Kindes geduldet werden. Heute sind Eltern mit im Team integriert, das sich für das Wohlergehen des kranken Kindes einsetzt.

Trotzdem gibt es noch viel zu tun: Kinder mit Leistungseinschränkungen aufgrund ihrer Herz- erkrankung erhalten nicht immer die Hilfe, die sie benötigen.

Manchmal stoßen sie schon im Kindergarten, vor allem aber in der Schule, bei der Berufswahl und in der Berufsausbildung auf mangelnde Unterstützung bis hin zur Ausgrenzung.

Einsparungen im Gesundheitswesen haben in den letzten Jahren so dramatische Ausmaße angenommen, dass Eltern um die gute Versorgung ihrer Kinder bangen müssen. „Die Hochleistungs- medizin in der Uni-Kinderklinik ist bedroht!“ war 2007 bundesweit in der Tagespresse zu lesen: Ist für schwer kranke Kinder in unserem Gesundheitssystem noch ein Platz vorhanden? Werden kranke Kinder weiterhin die medizinische und die psychosoziale Hilfe bekommen, die sie benötigen, um später ein selbstbestimmtes Leben zu führen? (siehe hierzu auch Ich bin keine Fallpauschale)

Seit etwa 5 Jahren arbeiten alle Selbsthilfevereine, die an der Kinderklinik in Tübingen tätig sind, enger zusammen.

Sie treten unter dem Namen „Hilfe für kranke Kinder“ nach außen gemeinsam auf und gehen klinikinterne Projekte miteinander an.

Ein großes Ziel, das wir uns z.B. gesteckt hatten, war die Errichtung eines Elternhauses auf Klinikgelände, das von Eltern aller kranker Kinder, die in der Kinderklinik behandelt werden, genutzt werden kann. Dies gelang zusammen mit der McDonald’s Kinderhilfe Stiftung 2011. Das Ronald McDonald Haus Tübingen kann auf dem Klinikgelände bis zu 30 Eltern gleichzeitig aufnehmen.